Naja, eigentlich könnte ich hier anfangen, ein ganzes Buch zu schreiben. Kinder spiegeln ihre Eltern. Mir ist also klar, dass unser Sohn (4,5 Jahre alt) nicht nur sein eigenes Seelenleben mitgebracht hat, sondern auch ungefiltert aufnimmt, was Mama und Papa unbewusst aussenden. Ist er ein Sonnenschein – fein, alle wollen mehr davon!
Weint oder schreit er gar sehr laut, urteilen Mitmenschen, er müsste erzogen werden. Dabei zeigt er nur, dass hier eine Dissonanz der Schwingungen vorliegt und wir schauen dürfen, wo sie her kommt. Besser noch, wie sie wieder ins Gleichgewicht kommt.
Wir hatten uns schon vor der Geburt entschieden, unserem Sohn die Ruhe und Zeit zu geben, die er braucht, um auf dieser Welt anzukommen. Die ungarische Kinderärztin Emmi Pikler (1902-1984) hat uns sehr inspiriert. Wir kauften ihre Bücher und sahen Dokumentationen auf Youtube an. Niemand in unserem alten Bekannten- und Freundeskreis hatte je von ihr gehört. Wenn wir uns mit Freunden treffen wollten, baten wir sie, lieber zu uns zu kommen, anstatt selbst ständig irgendwohin zu fahren. Unser Baby musste erstmal mit allem klar kommen: Helligkeit, Schwerkraft, Lautstärke, Räume, Abhängigkeit in der Versorgung …
Wir wollten die Eltern-Kind-Bindung haben und formulieren unseren Wunsch genau so! Diese Bindung sollte gestärkt werden indem der Kleine unseren Herzschlag spürt, unsere Stimmen hört, unsere Gerüche aufnimmt. Wir gaben unser Baby bei Treffen nicht reihum in andere Arme, weil wir glaubten, dass es überreizt werden würde.
Wir waren die Ersten, die plötzlich kindzentriert lebten und es auch begeistert und überzeugt erklärten. Das widersprach so ziemlich allen klassischen Erziehungsmodellen und Glaubenssätzen. Man äußerte sogar die Befürchtung, dass unser Kind ein Weichling werden würde!
So kam es, dass zumindest die, die selbst Kinder hatten, sich tatsächlich kritisiert fühlten. Wir hatten gehofft und erwartet, dass sie das verstehen würden – so wie wir es verstanden ;-). Es ergab sich, dass sich nach und nach immer mehr „Freunde“ zurückzogen. Wer vorher noch unsere Gesellschaft suchte, hatte plötzlich keine Zeit mehr und traf sich lieber mit Anderen. Zuerst waren wir verletzt, wir verstanden es nicht.
Später erkannten wir, dass die Schwingungen nicht mehr zusammenpassten. Akzeptanz und Toleranz funktionieren nur dann, wenn ich selbst mit dem einverstanden bin, was ich tue – wer ich bin. Toleranz kommt vom lateinischen Wort „tolerare“ und es heißt „tragen“. Wenn ich also stark genug bin, etwas zu tragen oder zu ertragen, kann ich mit den Menschen und der Situation umgehen.
Das gilt für uns genauso wie für unser Umfeld. Wir reflektieren immer wieder, was wir tun, wie wir mit unserem Kind und mit unseren Mitmenschen umgehen. Auch da gibt es Zeiten, in denen wir uns zurückziehen und die Kräfte für neue Toleranz sammeln.
Seit wir dank Quantenphysik verinnerlicht haben, wie sich unverstandene Seelen schmerzhaft äußern und verhalten, fühlen wir uns nicht mehr persönlich angegriffen. Wir können akzeptieren, dass jeder auf seinem Weg ist und wir manchmal unterschiedliche Geschwindigkeiten auf der Erkenntnisstraße haben.
Es war ein Gefühl der Erleichterung, Kontakte schrittweise freizugeben. Eine Entscheidung getroffen zu haben und sich gut dabei zu fühlen, war unser Mantra. Einfach, weil jetzt keine gemeinsame Lebensphase ist. Wer weiß, vielleicht begegnen wir uns wieder und dann schauen wir, wie es uns ergangen ist und wie es uns geht.
Manchmal denke ich an diese Menschen oder träume von ihnen – friedvoll. Wir sind offensichtlich alle miteinander verbunden.
Wir haben neue Freunde und Bekannte gefunden. Wir begegnen einander ganz ohne Erwartungen und jedes Mal mit Neugier. Jedes Treffen bringt uns weiter.